Beaufsichtigte Institute gehen bei der Hypothekarvergabe ein Kreditrisiko mit zwei hervorzuhebenden Aspekten ein: Einerseits besteht das Risiko, dass die Kundinnen und Kunden den Zins- und Amortisationsverpflichtungen nicht nachkommen können und es beim kreditgebenden Institut zu einem Kreditausfall kommt. Das Risiko eines Ausfalls ist umso kleiner, je besser die Tragbarkeit der Kundschaft ist. Andererseits besteht das Risiko, dass der Wert der Liegenschaft, der als Sicherheit dient, sinkt und so beim Institut im Falle eines Kreditausfalls Verluste entstehen. Das Risiko eines grossen Verlusts im Falle eines Ausfalls nimmt zu, wenn die Immobilienpreise in einer Krise einbrechen. Dieses Risiko kann vermindert werden, indem das Institut keine übermässig hohe Belehnung akzeptiert und von den Kreditnehmenden genügend Eigenmittel verlangt.
Das gesamte Hypothekarvolumen bei Banken ist weiterhin gestiegen. Dies ist hauptsächlich auf das grosse Wachstum bei Finanzierungen von Renditeliegenschaften zurückzuführen. Das Wachstum von Finanzierungen von Wohnliegenschaften ist etwas zurückgegangen, liegt aber immer noch deutlich im positiven Bereich. Aufgrund der gestiegenen Hypothekarzinsen sind auch die Margen der Banken gestiegen. Dies hat optimistic Auswirkungen auf die Profitabilität (siehe vorheriges Kapitel) vor allem jener kleinen und mittelgrossen Banken, bei denen das Hypothekargeschäft die Haupteinnahmequelle ist.
Die Menge neuer Finanzierungen von Purchase-to-Let-Objekten (von Privaten vermieteten Eigentumswohnungen oder Einfamilienhäusern) ist seit der Zinswende rückläufig. Dies liegt daran, dass diese Artwork von Investition aufgrund gestiegener Finanzierungskosten weniger Rendite abwirft und damit weniger attraktiv ist.
Seit der Zinswende ist der Anteil der neuen Hypotheken mit variablem Zinssatz (SARON-gebunden) doppelt so hoch wie vorher im Negativzinsumfeld. Betroffene Kreditnehmende sind damit einem erhöhten Zinsrisiko bzw. Tragbarkeitsrisiko ausgesetzt.
Ausserdem beobachtet die FINMA, dass etliche Banken nicht nachhaltige Kreditvergabekriterien anwenden. Dies bedeutet, dass sie die Tragbarkeit der Kreditnehmenden tendenziell überschätzen. In diesen Fällen wurde zum Beispiel der kalkulatorische Zinssatz zu tief oder die Tragbarkeitsschwelle zu hoch angesetzt. Ausserdem vergeben etliche Banken einen sehr hohen Anteil an Krediten ausserhalb der eigenen Vergabekriterien (sogenannte Exception-to-Coverage-Geschäfte).
Die Abbildung «Angewandte Tragbarkeitskriterien bei der Kreditvergabe» zeigt die Verteilung der kalkulatorischen Kosten in Bezug auf die Tragbarkeitskriterien von 45 Banken. Diese Berechnungen beziehen sich auf die Finanzierung einer Renditewohnliegenschaft mit Dreiviertelbelehnung sowie eines Eigenheims mit 80 Prozent-Belehnung. Sie verdeutlicht, dass Banken in ihren Vergaberichtlinien von sehr unterschiedlichen kalkulatorischen Kosten (kalkulatorischem Zinssatz und Nebenkosten) ausgehen und teilweise wenig Puffer für unvorhergesehene Ereignisse einplanen. Dies kann in Kombination mit den erhöhten Finanzierungskosten zu grösseren Tragbarkeitsrisiken bei Kundinnen und Kunden führen, die wiederum zu vermehrten Kreditausfällen bei den Banken führen können.
Im Eigenheimmarkt ist erst seit Mitte 2022 eine Abkühlung des Preiswachstums zu beobachten, obwohl die Zinserhöhungen bereits Ende 2021 begonnen haben und die Anzahl Transaktionen seit der Zinswende aufgrund der damit zusammenhängenden rückläufigen Nachfrage abgenommen hat. Da das Angebot aber äusserst knapp ist, werden immer noch Transaktionspreise erzielt, die für einen steigenden Verlauf der Preisindizes sorgen.
Die gestiegenen Zinsen bringen die Bewertungen von Renditeliegenschaften unter Druck. Allerdings sind die Leerstände auf einem historischen Tiefstand, und wegen des Anstiegs des Referenzzinssatzes steigen auch die Bestandesmieten, was einen kompensierenden Effekt auf die Bewertung hat. Die starke Zuwanderung sowie die hohe Anzahl von Asylsuchenden sorgen für eine erhöhte Nachfrage nach Mietwohnungen. Da in den letzten Jahren jedoch nur wenige neue Wohnbauten erstellt wurden, führt dies zu einer angespannten Scenario auf dem Mietwohnungsmarkt. Zudem ist zu erwarten, dass auch die Nachfrage institutioneller Investoren nach Wohnimmobilien sensibel auf das veränderte Zinsumfeld reagieren wird, da sich andere attraktive Anlagemöglichkeiten aufgrund der gestiegenen Zinsen anbieten.
Die Folgen einer Immobilienkrise wären für den Schweizer Finanzplatz erheblich. Wenn die Immobilien deutlich an Wert verlören, wären die Kredite viel weniger gedeckt als bei deren Vergabe angenommen wurde. Daraus würden bedeutende Verluste für die hypothekarkreditvergebenden Institute resultieren. Stresstests der FINAM zeigen, dass in einer schweren Immobilienkrise insgesamt Verluste im zweistelligen Milliardenbereich entstehen könnten. Einige Banken hätten zu wenig für das Hypothekarportfolio gehaltene verlustabsorbierende Eigenmittel, um die entsprechenden Verluste zu tragen.
Angesichts des insgesamt hohen Hypothekarkreditvolumens kommt der Eigenmittelhaltung der Banken eine grosse Bedeutung zu. Der Ende September 2022 vom Bundesrat reaktivierte antizyklische Kapitalpuffer bleibt daher in Kraft. Mit Inkrafttreten des letzten Pakets der Basel-III-Reformen (sogenanntes Basel III closing) müssen Banken, die das Standardmodell anwenden, aufgrund des unterschiedlichen Risikos Hypotheken für Renditewohnliegenschaften mit deutlich mehr Eigenmitteln als für Hypotheken für Eigenheime unterlegen.
Im Vergleich zum Bankensektor ist der Anteil an Hypothekarkrediten im Versicherungsbereich nach wie vor begrenzt und in der Tendenz rückläufig. Versicherungsunternehmen sind jedoch auch mit direkten und indirekten Investitionen in Immobilien gegenüber dem Immobilienmarkt exponiert. Direkt und indirekt gehaltene Immobilien sowie Hypotheken machen durchschnittlich 18 Prozent der Kapitalanlagen aus. Eine Immobilienkrise in Verbindung mit steigenden Zinsen hätte folglich deutliche Auswirkungen auf die Solvenz und die Bedeckung im gebundenen Vermögen von Versicherern.
(Aus dem Risikomonitor 2023)